An Alle, welche auswandern wollen !

Mehr als jemals beginnt in diesem Jahre die Auswanderungslust sich zu regen, und Tausende rüsten sich, den heimischen Boden mit fernen, ihnen unbekannten Lande jenseits des Oceans zu vertauschen. Deshalb erachtet es der unterzeichnete Verwaltungsrath für seine Pflicht, ernste und mahnende Worte an Alle zu richten, die mit solchem Plane umgehen.

Die meisten von Euch wollen ihre Lage verbessern, und hoffen in den [neuen] Gefilden [...] einen leichten und einträglichen Besitz, vielleicht sogar Reichtümer zu erwerben. Diese Hoffnungen sind aber nichts als schöne Träume, denen nur gar zu oft ein schreckliches Erwachen folgt. [...]

So schreibt die „Deutsche Gesellschaft" zu New Orleans, welche aus den angesehenen Deutschen dieser Stadt besteht, die sich zur Aufgabe gemacht haben, ihren Landsleuten mit Rath und That an die Hand zu gehen, in einer Ansprache Folgendes:

„ Schließlich rufen wir den Deutschen, die Lust auf Auswandern haben, zu: So lange Ihr eben Euer Auskommen in der Heimat findeth, so bleibet im Lande und nähret Euch redlich ! denn Ihr kommt in ein Land, wo Clima, Sprache, Sitten und Gebräuche ganz von Eurigen verschieden sind. Es sind uns viele Fälle vorgekommen, wo Einwanderer dem bittersten Elende Preis gegeben, den leichtsinnig unternommenen Schritt schwer bereut, und sich, wiewohl oft vergeblich, bemüht haben, die Mittel zur Rückkehr ins Vaterland zu erbetteln." [...]

Euch allen, die ihr nicht bedeutende Capitalien mitnehmen könnt, bleibt daher nichts weiter übrig, als gegen Tagelohn, die schwerste und ungewohnteste Arbeit zu verrichten, die aber nur so viel abwirft, um Euch und Eurer Familie kümmerlich das Leben zu fristen. Auf Schulunterricht für eure Kinder müßt Ihr gewöhnlich verzichten, da auf dem Lande die Schulen meilenweit entfernt und theuer sind. Zum Gotteshause werdet Ihr selten gelangen, da ordentliche deutsche Prediger gar selten sind. Tüchtige Ärzte, wie in Deutschland, findet man höchstens in den großen Städten. Auf dem Lande treiben Quaksalber mit hohen Taren ihr gewissenloses Spiel und betrügen den armen Ansiedler auf das Schändlichste. Dabei ist das Klima für den Deutschen ungewohnt und deshalb meistens verderblich. Bösartige Fieber sind fast überall unvermeidlich, und werden oft tödlich, wenn keine rechte Pflege Statt finden kann. Trifft euch nun Krankheit oder anderes Ungenmach, da ist Keiner, der sich Eurer annimmt. Keine Gemeinde, kein Gutsherr, kein Fabrikherr spendet Euch Unterstützung. Im fremden Lande, dessen Sprache Ihr nicht kennt, entfernt von Euren Freunden und Bekannten, vielleicht verlassen im einsamen Urwalde, seht Ihr einem schmählichen Untergange entgegen; Tausenden und aber Tausenden unserer Landsleute ist es so ergangen. [...]

Deshalb prüfe sich doch Jeder recht gewissenhaft, ehe er den Entschluß zum Auswandern faßt. Hört um Gottes Willen nicht auf sogenannte gute Freunde [...]. Wenn Ihr gründlich nachfragt, so werdet Ihr finden, daß sie entweder selbst nur vom Hörensagen sprechen. Oder daß es verkappte Agenten für die Schiffs-Expedienten sind, die von Euch gern ihre Provision verdienen möchten. Traut auch den Briefen nicht immer, die angeblich von Verwandten und Freunden von dorten geschrieben werden. Diese sind, so unglaublich es klingen mag, sehr oft erlogen. Vielfach angestellte Untersuchungen haben ergeben, daß solche Leute sich nicht geschämt haben, an die eigenen Eltern und Geschwister zu schreiben, sie sollten nur nachkommen, es ginge ihnen vortrefflich, während sie doch im äußersten Elend geschmachtet haben.

Mag es Euch auch für den Augenblick schlecht gehen, mag die Arbeit und der Verdienst fehlen, es kommen auch wieder bessere Zeiten. Wer fest auf Gott vertraut, redlichen Willen und kräftige Ausdauer hat, der ist auch in Deustchland noch niemals zu Schanden geworden.

Darum rufen wir jedem, der an´s Auswandern denkt [...] zu:

„Bleibe im Land und nähre Dich redlich !"

Berlin, den 15. März 1852

Der Verwaltungs-Rath des Central-Vereins für die Deutsche Auswanderungs-

und Colonisations-Angelegenheit

 

(Quelle: Landeshauptarchiv Koblenz: Bestand:  441, Nr. 24215 (gedruckt))